Was ist Low-Code: Vor- und Nachteile sowie Low-Code-Tools

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Ein Interview zwischen Mike Ullrich, Program Manager, und Anna Herp, Online-Marketing-Spezialistin, von der Objektkultur Software GmbH.



Anna: Mike, was ist der Unterschied zwischen No-Code- und Low-Code Entwicklung?

Mike: No-Code-Entwicklung ermöglicht die Erstellung von Anwendungen ohne jegliche Programmierung, sodass auch Nicht-Programmierer in Unternehmen Software erstellen können. Dabei arbeiten sie mit visuellen Tools und Drag-and-Drop-Funktionen, was die Einstiegshürde massiv senkt und den Entwicklungsprozess beschleunigt. Neben einer schnelleren Umsetzung von Ideen werden IT-Abteilungen entlastet, weil Fachabteilungen kleinere Projekte und Prototypen selbst umsetzen können. Microsoft bezeichnet die Entwickler, die Anwendungen mittels No-Code erstellen, als Citizen Developers.

Auch bei der Low-Code-Entwicklung wird der Code nicht von Grund auf neu geschrieben, sondern ebenfalls mithilfe visueller Tools erstellt. Im Gegensatz zur No-Code-Entwicklung sind bei der Low-Code-Entwicklung tiefere Anpassungen mit einfachen Formelausdrücken (ähnlich wie bei Excel) oder mit einfachen Skriptfragmenten möglich. Low-Code-Plattformen ermöglichen es technisch versierten Fachanwendern und angelernten Entwicklern, Anwendungen schneller zu erstellen. Weniger Code-Aufwand bedeutet kürzere Entwicklungszeiten sowie höhere Effizienz und bessere Zusammenarbeit zwischen Entwicklern und Fachexperten.

Anna: Welche Kenntnisse sollte jemand haben, um auf Basis von Low-Code entwickeln zu können?

Mike: Low-Code-Plattformen ermöglichen es auch Nicht-Entwicklern Software zu erstellen, ohne dass sie die Tiefe der Programmierung von Grund auf beherrschen müssen. Wichtig sind Kenntnisse über Konzepte wie Datenstrukturen, Benutzeroberflächen und Logik (und, oder, nicht, kleiner, größer etc.). Ein grundlegendes Verständnis von Programmierlogik, Variablen und Bedingungen ist natürlich auch hilfreich. Besonders wichtig finde ich in diesem Zusammenhang die Fähigkeit, Prozesse analysieren und Anforderungen durchdringen zu können. Denn auf dieser Basis wählt man die Low-Code-Module aus, die dann angepasst werden können. In einigen Low-Code-Plattformen kann JavaScript für die Anpassung von Verhalten und Benutzeroberflächen verwendet werden. Auch Grundkenntnisse in HTML und CSS können von Vorteil sein, um Benutzeroberflächen weiter zu adaptieren oder zu gestalten.

Anna: Und was ist der Unterschied von No- und Low-Code zur traditionellen Programmierung?

Mike: Bei der traditionellen Programmierung schreiben Entwickler Code von Grund auf in Programmiersprachen wie z. B. Java, Python, C++ etc. Man spricht hier auch von der Pro-Code-Entwicklung. Diese erfordert neben Kenntnissen der Programmiersprache(n) ein tiefes Verständnis von algorithmischem Denken, Datenstrukturen, Speicher- und Ressourcenmanagement. Die Entwickler bringen Debugging-Fähigkeiten, Sicherheitswissen, Kenntnisse zur Code-Qualität sowie Frameworks mit und können damit Anwendungen vollständig „from scratch“ erstellen. Sie konzipieren die Anwendung in Hinsicht auf die Architektur, Systemperformance, Sicherheit, Fehlerbehebung und auf das Design. Im Vergleich zur No-Code- und Low-Code-Entwicklung ist die traditionelle Programmierung somit einerseits zeitaufwändiger und komplexer, bietet jedoch umfassende individuelle Einstellungsmöglichkeiten.

Anna: Gibt es Nachteile bei der Low-Code-Entwicklung? Wenn ja, welche?

Mike: Ja, Low-Code-Entwicklung kann Nachteile haben, z. B. eine eingeschränkte Flexibilität innerhalb der Anwendung. Bei komplexen Anforderungen könnten vorgefertigte Bausteine und begrenzte Anpassungsmöglichkeiten teils schwer umgesetzt werden. Zum Beispiel könnte eine Low-Code-Plattform Schwierigkeiten haben, eine hochspezialisierte Datenanalyseanwendung darzustellen. Entwickelte Anwendungen sind abhängig von der Plattform, das heißt, wenn die Plattform eingestellt wird oder sich grundlegend ändert. Beispielsweise im Rahmen eines Versionsupdates könnten bestehende Anwendungen irgendwann inkompatibel werden. Die Integration mit bestehenden Systemen kann kompliziert sein, da die Plattform möglicherweise nicht alle erforderlichen Schnittstellen unterstützt. Ein Beispiel wäre die Integration einer Low-Code-App mit einer komplexen Unternehmensdatenbank. Daher setzen wir bei Objektkultur auf die Low-Code-Plattform von Microsoft, die Power Platform . Sie bietet eine breitgefächerte Auswahl an Anwendungen, die maximale Flexibilität bieten sowie Standard-Konnektoren und Integrationsmöglichkeiten. Microsoft bietet mit einem großen Entwicklerteam langfristigen Support und unterstützt abgekündigte Versionen z. B. von Konnektoren während einer Übergangsfrist.

Anna: Welche Low-Code-Plattformen gibt es noch?

Mike: Da würde ich drei Low-Code-Plattformen nennen:

  1. Die bereits genannte Microsoft Power Platform ermöglicht es Benutzern, Apps (Power Apps), Portale (Power Pages), Workflows bzw. Integrationen (Power Automate), RPAs (mit Power Automate Desktop), Berichte (Power BI) und KI-Anwendungen (AI Builder) zu erstellen und miteinander zu verzahnen. Diese sind nahtlos in Microsoft 365 , Dynamics 365 und Azure integriert, was enorme Vorteile beim Datenaustausch und der -Nutzung mit sich bringt und im Alltag ein einfaches Handling ermöglicht.
  2. OutSystems, welches für eine schnelle Entwicklung und eine starke Integration bekannt ist. OutSystems bietet visuelles Design, Datenmodellierung und Code-Generierung.
  3. Appian bietet Low-Code-Entwicklung, Prozessautomatisierung und künstliche Intelligenz für die Entwicklung von Unternehmensanwendungen.

Anna: Kommt im Low-Code-Tool Microsoft Power Apps auch künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz?

Mike: Ja, in der Low-Code-Plattform Microsoft Power Apps sind auch KI-Anwendungen integriert. Microsoft Power Apps bietet Funktionen zur Integration von KI in erstellten Anwendungen. Hierzu gehören vorgefertigte AI-Algorithmen aus dem AI Builder sowie die Integration von Microsoft Azure Basis AI-Diensten, wie zum Beispiel Textanalyse, Bilderkennung und maschinelles Lernen.

Mit diesen KI-Funktionen können Entwickler und Citizen Developer fortschrittliche Funktionen in ihre Anwendungen integrieren, um zum Beispiel Texte zu analysieren, Bilder zu verarbeiten, Vorhersagen zu treffen oder Muster zu erkennen. Dies erweitert die Möglichkeiten von Power Apps über die reine Benutzeroberfläche hinaus und ermöglicht es, intelligente Funktionen ohne tiefes Verständnis der zugrundeliegenden KI-Algorithmen einzusetzen.

Anna: Ist Microsoft Power Apps nun eine Low-Code- oder eine No-Code-Plattform?

Mike: Microsoft Power Apps wird oft als Low-Code-Plattform eingestuft, obwohl die Grundfunktionen keiner Skripte oder Code-Fragmente bedürfen. Die Plattform ermöglicht es Benutzern, Anwendungen auch ohne umfangreiche Programmierkenntnisse zu erstellen. Fortgeschrittene Entwicklern können benutzerdefinierten Code verwenden, um spezifische Anforderungen zu erfüllen. Dadurch ist Power Apps eine hybride Plattform, die sowohl Low-Code- als auch begrenzte No-Code-Aspekte bietet und die Anwendungserstellung für verschiedene Nutzergruppen ermöglicht und erleichtert.

Ein Beispiel: Bei der Erstellung einer App zur Gästeregistrierung am Empfang könnte ein Citizen Developer rund 60 Prozent der benötigten Funktionalitäten mit den No-Code-Funktionen von Microsoft Power Apps abbilden. Die verbleibenden 40 Prozent müssten durch einen Programmierer entwickelt werden, der mittels Low-Code-Erweiterungen einen MVP (Minimal Viable Product) baut. Wir sprechen hier von umfangreichen Spezialfunktionen, wie den automatisierten Druck von personalisierten Zutrittskarten, für den der Programmierer eine Schnittstelle liefern muss.

Anna: Und zu guter Letzt: Was sollten Unternehmen bei der Einführung der Low-Code-Programmierung beachten?

Mike: Wichtig sind eine sorgfältige Planung und Umsetzung, vor allem jedoch ein umfassendes Changemanagement, um den Kulturwandel zu begleiten. Wir empfehlen bei Objektkultur folgende Schritte:

  1. Bedarfsanalyse: Identifizieren Sie die Bereiche in Ihrem Unternehmen, in denen Low-Code-Entwicklung die Effizienz steigern könnte. Das könnten Prozessautomatisierung, Datenmanagement und Kundenanwendungen sein oder Bereiche, in denen Sie bereits RPA einsetzen und weiter automatisieren wollen.
  2. Tool-Recherche und Auswahl: Untersuchen Sie verschiedene Low-Code-Plattformen auf dem Markt. Berücksichtigen Sie Ihre Anforderungen, das Budget und die technischen Fähigkeiten. Unsere Checkliste zur Auswahl einer Low-Code-Plattform führt Sie im Detail durch die wichtigsten Faktoren!
  3. Pilotprojekt: Starten Sie mit einem kleinen Pilotprojekt, um die Plattform auszuprobieren und deren Funktionalität zu testen. Achten Sie bei der Auswahl des Projekts auf eine einfache Umsetzbarkeit, um schnell erste Erfolge produzieren zu können und Erfahrung in der Umsetzung zu sammeln.
  4. Schulung: Stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeitenden über die notwendigen Fähigkeiten verfügen, um die Plattform effektiv zu nutzen. Bieten Sie Schulungen und Ressourcen an, um das Verständnis zu fördern und die Einstiegshürde oder die Vorurteile zu reduzieren. Dazu können Sie auch externe Anbieter mit einem breiten Erfahrungsschatz und Kompetenzen im Changemanagement einsetzen.
  5. Entwicklung von Richtlinien: Erstellen Sie Richtlinien und Best Practices für die Low-Code-Entwicklung in Ihrem Unternehmen, um Konsistenz und Qualität sicherzustellen. Ein Dienstleister zur Implementierung der Low-Code-Plattform kann hierbei unterstützen – Jetzt kostenloses Erstgespräch anfragen.
  6. Ausweitung der Nutzung: Nach erfolgreicher Pilotphase können Sie die Nutzung der Plattform auf andere Teams oder Projekte ausdehnen.
  7. Monitoring und Anpassung: Überwachen Sie die Ergebnisse, z. B. mittels entsprechender Tools, und sammeln Sie Feedback von den Citizen Developern. Passen Sie den Prozess an, um den Anforderungen Ihres Unternehmens gerecht zu werden.
  8. Skalierung: Wenn sich die Low-Code-Entwicklung als erfolgreich erweist, können Sie überlegen, wie Sie sie in größere Projekte oder Abteilungen integrieren können.

Es ist wichtig, dass Unternehmen die Einführung schrittweise angehen und auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Mitarbeitenden sowie auf die individuellen Prozesse abstimmen. Die Unterstützung des Managements, die Schulung der Mitarbeitenden und eine klare Hyperautomation-Vision halte ich für entscheidend für den Erfolg der Low-Code-Programmierung.


Sie wollen eine Low-Code-Plattform einführen? Das müssen Sie beachten!


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